FAQ zum Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG; SR 930.11) und zur Verordnung über die Produktesicherheit (PrSV; SR 930.111)
Hinweis: Die vorliegenden FAQ wurden unter der Leitung von SECO-Produktsicherheit ABPS erstellt (letztmals aktualisiert am 3. September 2015). Die FAQ verstehen sich als Orientierungshilfe bei der Anwendung des PrSG und der PrSV. Sie entsprechen den häufigsten Fragen, die sich im Rahmen der verwaltungsinternen Arbeiten sowie den Vernehmlassungen zu den Erlassentwürfen stellten und werden nach Bedarf fortlaufend angepasst. Rechtlich massgebend sind einzig die einschlägigen Gesetzes- und Verordnungstexte sowie die Materialien (z.B. Botschaft zum PrSG, BBl 2008, 7407 ff.).
Allgemeine Fragen zum PrSG und zur PrSV
Das PrSG gilt grundsätzlich für alle Produkte. Ausnahmen ergeben sich aus dem PrSG selbst sowie durch die Vorrangregelung von Art. 1 Abs. 3 PrSG:
- Enthält ein Sektorerlass «(technische) Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen» in Bezug auf bestimmte Risiken oder Risikokategorien (z.B. mechanische Risiken, thermische Risiken), so hat dieser Sektorerlass Vorrang vor den «(technischen) Sicherheitsvorschriften» des PrSG. Dies gilt auch dann, wenn der Sektorerlass ein tieferes Sicherheitsniveau als das PrSG festlegt.
Für alle übrigen Risiken oder Risikokategorien, welche nicht in einem Sektorerlass geregelt sind, gelten die «(technischen) Sicherheitsvorschriften» des PrSG. Die Nichtregelung der übrigen Risiken im Sektorrecht kann nicht als qualifiziertes Schweigen interpretiert werden. Diese Vorrangregelung gilt in Bezug auf alle Produkte (also nicht nur Konsumentenprodukte). - Enthält ein Sektorerlass Bestimmungen über die Nachmarktpflichten in Bezug auf Konsumentenprodukte, so gehen die Bestimmungen des Sektorerlasses Art. 8 PrSG vor. Enthält ein Sektorerlass keine entsprechenden Bestimmungen, so ist Art. 8 PrSG bei Konsumentenprodukten anzuwenden (die Nichtregelung der Nachmarktpflichten im Sektorrecht kann nicht als qualifiziertes Schweigen interpretiert werden).
Die Vorrangregelungen sind im PrSG und in der PrSV formal nicht gleichlautend, da die PrSV die im PrSG implizierten Ziele nicht erwähnt. Materiell folgt jedoch die PrSV der Vorrangregelung des PrSG. Soweit also das PrSG nicht anwendbar ist, ist auch die PrSV als Ausführungsvorschrift des PrSG nicht anwendbar.
Diese Formulierung trägt dem Umstand Rechnung, dass es nicht in allen Produktbereichen "grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen" gibt. So spricht z.B. das Bauproduktegesetz (SR 933.0) in Artikel 3 von "wesentlichen Merkmalen" der Bauprodukte und den "Grundanforderungen an Bauwerke". Diese müssen als Ganzes und in ihren Teilen für ihren Verwendungszweck tauglich sein.
Betreffend Ausstellungen resp. Messen und Vorführungen gilt Art. 7 PrSV, d.h. es dürfen auch nichtkonforme Produkte ausgestellt und vorgeführt werden, sofern sie mit einem klaren Hinweis auf die Nichtkonformität versehen sind und die erforderlichen Massnahmen getroffen wurden, um die Sicherheit von Personen zu gewährleisten.
Eine über die Vorführung hinausgehende Abgabe zu Nutzungszwecken ist allerdings nicht statthaft. Insofern besteht kein Spielraum für die Abgabe von Prototypen, die nicht den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen. Die Vorführungen können gegebenenfalls auch ein kurzzeitiges Überlassen zu Testzwecken beinhalten, falls die obgenannten Voraussetzungen erfüllt sind (Hinweis auf Gefahren und Treffen der erforderlichen Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit von Personen, wie beispielsweise stete Aufsicht oder genaue Anleitung des Herstellers).
Gemäss Art. 2 Abs. 3 PrSG ist das Inverkehrbringen von Occasionsprodukten grundsätzlich vom Geltungsbereich des PrSG erfasst.
Nicht erfasst sind:
Antiquitäten: Als Antiquitäten gelten sammelnswerte Gegenstände, meist künstlerischer oder kunsthandwerklicher Art, die je nach Stilrichtung z.B. 50 oder auch 100 Jahre alt sind (Art. 1 Abs. 4 Bst. a PrSG);
Nicht funktionstüchtige oder defekte Produkte: Gebrauchte Produkte, welche vor ihrer weiteren Verwendung ganz oder teilweise instand gesetzt oder wiederaufbereitet werden müssen, d.h. Produkte, die nicht richtig funktionstüchtig oder defekt sind. Über den Zustand des Produkts muss diejenige Person, welche das gebrauchte Produkt erwirbt, informiert werden (Art. 1 Abs. 4 Bst. b PrSG).
Produkte, die wiederaufbereitet und deren Sicherheitseigenschaften mit der Wiederaufbereitung wesentlich verändert wurden – indem z.B. die ursprüngliche Leistung, Verwendung oder Bauart bedeutend modifiziert wurden –, gelten nicht als Occasionsprodukte, sondern als neue Produkte. Diese Produkte müssen also den aktuell geltenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen. Der Wiederaufbereiter resp. Modifizierer gilt als Inverkehrbringer (Art. 2 Abs. 4 Bst. c PrSG). Werden die Sicherheitseigenschaften eines Produkts nicht wesentlich verändert, z.B. wenn das Produkt lediglich repariert und in den ursprünglichen Zustand versetzt wird, so handelt es sich nicht um eine neues Produkt sondern um ein Occasionsprodukt.
Für Occasionsprodukte, die funktionstüchtig sind und sicherheitstechnisch unverändert weitergegeben werden, gilt bezüglich Erfüllung der Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen folgendes:
- Occasionsprodukt wird in der Schweiz weiterverkauft = kein erneutes Inverkehrbringen; anwendbar sind die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen im Zeitpunkt des ersten Inverkehrbringens in der Schweiz;
- Occasionsprodukt wird von der EU in die Schweiz importiert = erstes Inverkehrbringen in der Schweiz; das Produkt muss den aktuell geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der Schweiz entsprechen (Konformitätsbewertungsverfahren etc. werden allenfalls von der Schweiz anerkannt);
Ausnahme Occasionsmaschinen: Bei Occasionsmaschinen sind die Vorschriften im Zeitpunkt der ersten Inverkehrbringung der Maschine in der EU anwendbar (vgl. MRA1, Kapitel I, Abschnitt V).
- Occasionsprodukt wird von der Schweiz in die EU exportiert = erstes Inverkehrbringen in der EU; das Produkt muss den aktuell geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der EU entsprechen (Konformitätsbewertungsverfahren etc. werden allenfalls von der EU anerkannt);
Ausnahme Occasionsmaschinen: Bei Occasionsmaschinen sind die Vorschriften im Zeitpunkt der ersten Inverkehrbringung der Maschine in der Schweiz anwendbar (vgl. MRA, Kapitel I, Abschnitt V).
- Occasionsprodukt wird von einem Drittland in die Schweiz importiert = erstes Inverkehrbringen in der Schweiz, d.h. anwendbar sind die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der Schweiz im Zeitpunkt des Imports;
- Occasionsprodukt wird von der Schweiz in ein Drittland exportiert = erstes Inverkehrbringen im Drittland; das Produkt muss den Bestimmungen des Drittlandes entsprechen.
1 Mutual Regonition Agreement MRA: Bilaterales Abkommen Schweiz-EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, SR 0.946.526.81
Nach dem PrSG müssen Produkte grundsätzlich nur die im Zeitpunkt der ersten Inverkehrbringung geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllen. Einzelne grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen sehen jedoch vor, dass der Inverkehrbringer Angaben darüber zu machen hat, wie das Produkt gewartet werden muss, damit es sicher benutzt werden kann. In diesen Fällen überprüfen die Kontrollorgane, ob die erforderlichen Angaben dem Produkt beiliegen.
Ob das Produkt nach dem Inverkehrbringen während der Gebrauchsdauer auch tatsächlich den Angaben des Herstellers gemäss gewartet wird, ist nicht Gegenstand des PrSG sondern – soweit vorhanden – anderweitiger Spezialgesetze (z.B. UVG/ VUV, kantonale Vorschriften). Das PrSG erfasst demnach nur die Sicherheit in einem bestimmten Zeitpunkt (Inverkehrbringung) und nicht während einer bestimmten Zeitdauer (Betrieb eines Produkts).
Das PrSG sieht jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor: Werden Produkte nach ihrem Gebrauch oder während der Gebrauchsdauer Dritten überlassen (z.B. Verkauf/Vermietung) und unterliegen diese Produkte während des Gebrauchs sicherheitsrelevanten Beeinträchtigungen, z.B. durch Abnutzung, so müssen diese Produkte bei jeder Überlassung die zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllen, ausser die Betroffenen werden über allfällige Sicherheitsdefizite hinreichend informiert. Ohne diesen Hinweis können demnach Betroffene davon ausgehen, dass Produkte - ob neu oder gebraucht - den aktuellen Sicherheitsanforderungen genügen.
Je nachdem wie die Betroffenen über sicherheitsrelevante Defizite informiert werden, kontrollieren also die Behörden, ob das Produkt die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen im Zeitpunkt der ersten Inverkehrbringung oder aber die aktuellen Anforderungen einhält. Bei ihren Kontrollen berücksichtigen die Behörden demnach, wie der Betroffene bei der Überlassung eines Produkts über den Zustand des Produkts informiert wurde. Wurde er nicht darüber informiert, dass das Produkt nur mangelhaft gewartet ist, wenden die Behörden bei der Überprüfung die aktuellen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen an. Die korrekte Wartung ist demnach im Rahmen des PrSG indirekt relevant. Die Behörden "kontrollieren", ob die Wartung korrekt vorgenommen wurde. Falls nicht, kontrollieren die Behörden, ob der Betroffene über die mangelnde Wartung hinreichend informiert wurde. Falls dies nicht der Fall ist, wenden die Behörden bei Überlassungen an Dritte (z.B. bei Weitervermietungen) im Rahmen ihrer Kontrollen die aktuellen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen an. Die mangelnde Wartung selbst kann jedoch durch die Behörden des PrSG nicht anderweitig sanktioniert werden.
Begriffe
Die Herstellung und der direkte Import eines Produkts zur Verwendung im eigenen Betrieb sind dem PrSG unterstellt.
Beispiel: Fitnessgeräte in einem Fitness-Center.
Das Produkt hat dem PrSG bereits zu dem Zeitpunkt zu entsprechen, in dem es Dritten angeboten wird. Ein Hersteller kann sich daher einer Kontrolle nicht mit der Begründung entziehen, dass das Produkt im konkreten Fall noch gar niemandem überlassen/übertragen/verkauft etc. wurde.
Als Hersteller gilt jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet.
Als Hersteller gelten ausserdem:
- der Quasihersteller gemäss Art. 2 Abs. 4 Bst. a PrSG;
- die Vertreterin des Herstellers gemäss Art. 2 Abs. 4 Bst. b PrSG; sowie
- der Wiederaufbereiter gemäss Art. 2 Abs. 4 Bst. c PrSG.
Das PrSG enthält in Artikel 3 Abs. 1, 3, 4 und 5 "allgemeine Sicherheitsanforderungen", denen grundsätzlich alle Produkte genügen müssen soweit die betroffenen Risiken nicht in einem Sektorerlass geregelt sind. Die Konkretisierung dieser allgemeinen Sicherheitsanforderungen ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 und Art. 5 PrSG:
- Gesetzesvorschriften der Schweiz (z.B. grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen);
- bezeichnete Normen zu diesen Gesetzesvorschriften; oder
- im Falle fehlender spezialrechtlicher Gesetzesvorschriften der "Stand des Wissens und der Technik".
Geringfügig sind beispielsweise:
- kleinere Schnitte (z.B. durch Papier oder Kartonränder);
- Kniffe oder Schläge, welche nur marginal beeinträchtigen.
"Wissen" versteht sich in diesem Zusammenhang als Oberbegriff und umfasst sämtliches Wissen, also das Wissen der Wissenschaft oder die Regeln der Technik etc. Das "Wissen" ist dabei selbstverständlich nur relevant, wenn es den Betroffenen bekannt war oder hätte sein müssen.
Händler ist jede Person in der Vertriebskette von Produkten im Sinne des PrSG, die nicht Hersteller oder Importeur ist.
Konsumentenprodukte sind Produkte, die für Konsumentinnen und Konsumenten bestimmt sind oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen auch von Konsumentinnen und Konsumenten benutzt werden könnten.
Viele Produkte sind heute "Dual-Use"-Produkte. So sind beispielsweise immer häufiger professionelle Produkte (Arbeitsmittel oder Bauprodukte) auch in Bau- und Hobbymärkten für Konsumenten zugänglich. Diese Produkte unterstehen auch dem PrSG und den Nachmarktpflichten.
Nachweis der Erfüllung der Sicherheit
Nein, den Begriff «Gesamtkonformität», d.h. eine Konformität einer Anlage mit allen in der Schweiz gültigen gesetzlichen Bestimmungen, kennt die Gesetzgebung nicht. Die Ausstellung einer «Gesamtkonformität», welche die gesamte Anlage oder gar das Industriegelände umfasst, ist demnach nicht möglich. Diese kann deshalb im Rahmen der Produktesicherheitsgesetzgebung und von Art. 24 Abs. 2 VUV auch nicht gefordert werden.
Komplexe Anlagen bestehen aus diversen Produkten, welche unterschiedliche oder mehrere Verordnungen oder/und Gesetze erfüllen müssen. Es gibt zudem Gesetze bzw. Verordnungen, die den Zusammenbau von mehreren Produkten regeln, wie die Maschinenverordnung (Gesamtheit von Maschinen, siehe SUVA Merkblatt) oder die Druckgeräteverordnung (Baugruppen, siehe SVTI Merkblatt). Dabei gilt es, die spezifischen Anforderungen in den Erlassen zu befolgen, und es wird jeweils eine Konformitätserklärung nach dem entsprechenden Gesetz bzw. Verordnung ausgestellt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass bei einer Anlage mehrere Konformitätserklärungen vorhanden sein müssen: für die einzelnen Produkte und zusätzlich für gewisse zusammengebauten Produktegruppen, wenn dies vom Gesetzgeber vorgesehen ist.
Um die Sicherheit einer Anlage zu gewährleisten, sind zudem zwischen den verschiedenen Produkten, Anlagenkomponenten und Produktegruppen entsprechende Schnittstellen zu definieren und zu bewerten. Das heisst es muss eine Risikobeurteilung dieser Schnittstellen vorgenommen und für die erkannten Risiken müssen Massnahmen zur Risikominderung umgesetzt werden. Es entsteht dabei aber keine grössere Einheit, über die wiederum ein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt werden könnte. Ein entsprechender Nachweis über die Gesamtanlage kann aber im Sinne einer Eigendeklaration des Herstellers oder Betreibers erstellt werden, dies wird jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben. In dieser Erklärung wäre der Umfang der Anlage zu definieren und alle Erlasse zu erwähnen nach welchen die Anlagenteile und Risiken beurteilt wurden.
Die "allgemeinen Sicherheitsanforderungen" sind in Art. 3 PrSG geregelt. Diese sind von den "grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen" in Art. 4 PrSG zu unterscheiden. Letztere werden für bestimmte Produktkategorien bzw. Produktrisiken durch den Bundesrat in einem Sektorerlass geregelt. Nur wenn keine grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen in Sektorerlassen festgelegt wurden, kommen die "allgemeinen Sicherheitsanforderungen" des PrSG zur Anwendung (vgl. zum Vorrang des Sektorrechts Frage 1).
Eine Konformitätserklärung ist nur dann erforderlich, wenn ein bundesrechtlicher Erlass diese in Bezug auf ein bestimmtes Produkt ausdrücklich fordert.
Grundsatz:
Für in der Schweiz hergestellte Produkte gilt der folgende Grundsatz:
Produktinformationen müssen in der schweizerischen Amtssprache (gemäss Art. 11 PrSV: Deutsch, Französisch oder Italienisch) des Landesteils vorliegen, in dem das Produkt voraussichtlich verwendet wird (Art. 8 Abs. 1 PrSV).
Warn- und Sicherheitshinweise in Textform müssen in allen schweizerischen Amtssprachen (gemäss Art. 11 PrSV: Deutsch, Französisch und Italienisch) angebracht werden. Symbole dürfen anstelle des Textes verwendet werden, wenn damit eine genügende Information sichergestellt ist (Art. 8 Abs. 2 PrSV).
Spezialregelungen (Sektorrecht):
Enthält das einschlägige Sektorrecht eine andere Sprachregelung, so geht diese der Regelung in Art. 8 PrSV vor (lex spezialis).
Nach ausländischen technischen Vorschriften hergestellte Produkte ("Cassis-de-Dijon"-Prinzip):
Die folgende Regel gilt für im Ausland hergestellte Produkte, soweit sie nicht unter das Sektorrecht fallen (Produkte im Sinne von Art. 16a ff. THG1; sog. "Cassis-de-Dijon"-Prinzip):
Produktinformationen müssen in mindestens einer Landessprache vorliegen (Art. 16f Abs. 1 THG mit Verweis auf Art. 4a THG).
Warn- und Sicherheitshinweise müssen in der Amtssprache des Ortes angebracht werden, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wird (Art. 16f Abs. 2 THG).
1 Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG, SR 946.51)
Der Inverkehrbringer hat den Nachweis zu erbringen, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt sind (Art. 5 Abs. 1 PrSG) oder bei fehlenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen, dass das Produkt nach dem Stand des Wissens und der Technik hergestellt wurde (Art. 5 Abs. 3 PrSG).
Art. 5 Abs. 2 PrSG enthält jedoch zugunsten des Inverkehrbringers eine Umkehr der Beweislast: Danach genügt als Nachweis der Erfüllung der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen, dass die einschlägig bezeichneten Normen nach Art. 6 PrSG eingehalten wurden (in diesen Fällen obliegt es den Behörden, den Nachweis zu erbringen, dass ein Produkt trotz Einhaltung der bezeichneten Normen nach Art. 6 PrSG die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen nicht erfüllt).
In allen anderen Fällen obliegt der Nachweis dem Inverkehrbringer.
Die auf den 2. Abschnitt des PrSG bezogene subsidiäre Verpflichtung der Importeure, Händler oder Dienstleistungserbringer dient in erster Linie dem praktischen Vollzug. So können die Vollzugsorgane die zum Zweck des Nachweises der Sicherheit von Produkten erforderlichen Unterlagen (Konformitätserklärung, technische Unterlagen) neben dem Hersteller subsidiär auch vom Importeur, Händler oder Dienstleistungserbringer einfordern.
Beispiel: Gegen den Hersteller, der seinen Sitz im Ausland hat, kann mangels Hoheitsgewalt der schweizerischen Behörden im Ausland nicht rechtlich vorgegangen werden. Die Vollzugsorgane können in diesem Fall die erforderlichen Unterlagen auch vom Importeur, Händler oder Dienstleistungserbringer einfordern. Wann immer möglich halten sich die Kontrollorgane an den Hersteller, soweit dieser seinen Sitz in der Schweiz hat (Art. 17 Abs. 2 Bst. a THG).
Es versteht sich von selbst, dass der Importeur, Händler oder Dienstleistungserbringer den Nachweis der Sicherheit nicht selbstständig erbringen kann. Einerseits fehlt ihm dazu das Fachwissen der Hersteller, andererseits kann beispielsweise die Konformitätserklärung (und die dabei erforderlichen Konformitätsbewertungsverfahren) von Gesetzes wegen nur durch den Hersteller ausgestellt werden. In diesen Fällen besteht die Pflicht des Importeurs, Händlers oder Dienstleistungserbringers sich die erforderlichen Unterlagen beim Hersteller zuhanden der Vollzugsbehörden zu beschaffen und so den Nachweis der Sicherheit zu erbringen.
Welche technischen Unterlagen für ein bestimmtes Produkt erforderlich sind, ergibt sich aus dem Sektorrecht oder bei fehlendem Sektorrecht aus den üblichen Gepflogenheiten bei vergleichbaren Produkten.
Gemäss Art. 5 Abs. 4 PrSG muss bei Produkten, für welche keine grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen festgelegt worden sind, nachgewiesen werden können, dass das Produkt nach dem Stand des Wissens und der Technik hergestellt worden ist. Somit sind auch bei diesen Produkten technische Unterlagen auszustellen (Art. 10 PrSV i.V.m. Art. 3 - 5 PrSG). Der Inhalt der technischen Unterlagen für solche Produkte richtet sich nach Anhang 3 PrSV (Analogieschluss). Zumindest eine Risikoanalyse sowie eine Betriebs-, Bedienungs- und Wartungsanleitung – soweit das Produkt nicht selbsterklärend ist – müssen somit zur Verfügung gestellt werden.
Nachmarktpflichten gemäss Art. 8 PrSG
Die Nachmarktpflichten von Art. 8 PrSG obliegen vollumfänglich:
- dem Hersteller, oder
- dem Importeur.
Der Händler hat gegenüber diesen Hauptverpflichteten nur eine untergeordnete Unterstützungspflicht.
- Der Hersteller oder Importeur kann seine Nachmarktpflichten zeitlich beschränken, indem er die (sichere) Gebrauchsdauer des Produkts mit einer klaren Zeitangabe versieht; seine Nachmarktpflichten erlöschen mit Ablauf dieser Zeitangabe.
- Falls keine zeitlichen Angaben des Herstellers oder Importeurs über die (sichere) Gebrauchsdauer des Produktes vorhanden sind, gelten die Nachmarktpflichten während der vernünftigerweise vorhersehbaren Gebrauchsdauer eines Produktes. Diese ist je nach Produkt unterschiedlich (z.B. sterile Einwegspritze zum einmaligen Gebrauch oder Elektrokabel bei Hausinstallation, welches auf 50 Jahre ausgelegt sein kann).
- Die Nachmarktpflicht beschränkt sich zudem auf die Dauer der Geschäftstätigkeit des Herstellers oder Importeurs. Die Pflichten erlöschen demnach bei Aufgabe der Geschäftstätigkeit.
Der Begriff "vernünftigerweise vorhersehbare Gebrauchsdauer" in Art. 10 Abs. 1 PrSV ist identisch mit dem gleichen Begriff in Art. 8 Abs. 2 PrSG (vgl. dazu FAQ PrSG).
"Vernünftigerweise vorhersehbare Gebrauchsdauer eines Produkts": Diese ist je nach Produkt unterschiedlich (z.B. sterile Einwegspritze zum einmaligen Gebrauch oder Elektrokabel bei Hausinstallation, welches auf 50 Jahre ausgelegt sein kann).
- Produktbeobachtung;
- Gefahrabwendung;
- Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit.
Angemessene Massnahmen im Rahmen der Produktbeobachtung umfassen u.a.:
- Eine zentrale Anlaufstelle (Telefon, Mail etc.), damit Dritte Beanstandungen gemäss Art. 8 Abs. 3 PrSG melden können;
- Die sorgfältige Prüfung von gemeldeten Beanstandungen (Art. 8 Abs. 3 PrSG). Eine blosse Archivierung der Meldungen dürfte dieser Anforderung nicht genügen. Ggf. sind die Beanstandungen mittels Stichproben weiter zu verifizieren.
Der Händler hat neben den hauptverpflichteten Herstellern und Importeuren nur eine untergeordnete Unterstützungspflicht. Die Pflichten der Händler werden weder im PrSG noch in der PrSV im Einzelnen konkretisiert, da sie jeweils von Fall zu Fall im Gesamtkontext zu beurteilen sind.
z.B. Beitragung zu Sicherheitsanforderungen:
- Warn- und Sicherheitshinweise (Art. 3 Abs. 4 Bst. c PrSG) nicht mit Preisetiketten überkleben;
- Sonstige, produktbezogene Sicherheitsinformationen (Art. 3 Abs. 4 Bst. e PrSG) bei Verkaufsberatungsgespräch vermitteln;
- Sicherheitshinweise des Herstellers bei Verkaufsberatungsgespräch nicht verharmlosen;
- Keine Produkte in Verkehr bringen, bei denen ihm bekannt ist oder von denen er wissen muss, dass sie nicht sicher sind.
z.B. Mitwirkung bei der Überwachung der Sicherheit:
- Rückmeldung an Hersteller über selbst erkannte Mängel;
- Meldung von Sicherheitsbeanstandungen der Kunden an Hersteller.
z.B. Massnahmen zur wirksamen Zusammenarbeit mit Hersteller oder Importeur:
- Organisatorische Vorkehrungen, damit Warnungen oder Rückrufaktionen der Hersteller angemessen an Kunden weitergegeben werden können (Verantwortliche Person bestimmen, evt. Kundenkartei bei überschaubarem Kundenkreis anlegen);
- Organisatorische Vorkehrungen, damit z.B. ein Verkaufsstopp des Herstellers vom Verkaufspersonal auch tatsächlich vollzogen wird.
z.B. Massnahmen zur wirksamen Zusammenarbeit mit den Vollzugsorganen:
- Organisatorische Vorkehrungen, damit Warnungen oder Rückrufaktionen der Behörden angemessen an Kunden weitergegeben werden können (Verantwortliche Person bestimmen, evt. Kundenkartei bei überschaubarem Kundenkreis anlegen);
- Organisatorische Vorkehrungen, damit z.B. ein Verkaufsstopp der Behörden vom Verkaufspersonal auch tatsächlich vollzogen wird;
- Auskünfte an Behörden erteilen, damit diese gezielt Warnungen veröffentlichen können.
Meldungen der Hersteller nach Art. 8 Abs. 5 PrSG haben an die für das betroffene Produkt zuständigen Behörden zu erfolgen. Die Meldungen haben je nach Organisation der Ämter entweder an das zuständige Bundesamt oder die von diesem Bundesamt betrauten Vollzugsorgane zu erfolgen. Die für die jeweiligen Produkte konkret zuständigen Behörden/Stellen finden sich in der Zuständigkeitenliste auf.
www.seco.admin.ch/meldung-gefaehrlicher-produkte
Die zuständigen Behörden sind auch für die sich aus den Meldungen ergebenden weiteren Handlungsfolgen verantwortlich.
Zeitpunkt:
- im Zeitpunkt der begründeten Vermutung eines Sicherheitsmangels;
- spätestens bei Feststellung eines Sicherheitsmangels.
Frist:
- "unverzüglich" (1 oder 2 Tage, je nach Auswirkung des Sicherheitsmangels auf die Sicherheit und Gesundheit von Personen).
- Grund für diese kurze Frist ist die den Vollzugsorganen zustehende Kompetenz, zusätzlich Massnahmen nach Art. 10 PrSG anzuordnen (z.B. wenn der Hersteller oder Importeure die Bevölkerung nicht rechtzeitig warnt).
Es müssen sämtliche Massnahmen, welche der Hersteller oder Importeur zur Abwendung einer vom Produkt ausgehenden Gefahr ergreift, den Behörden gemeldet werden. Das Gesetz nennt diverse Beispiele wie Warnungen, Verkaufsstopp, Rücknahme vom Markt oder Rückruf. Diese Liste ist nicht abschliessend.
Eingegangene Meldungen werden von den zuständigen Behörden nach den gesetzlichen Vorgaben behandelt. Je nach Situation drängt sich die Eröffnung eines Kontrollverfahrens mit anschliessender Verfügung (Verkaufsverbot, Rückruf etc.) oder eine andere angemessene Massnahme nach Art. 10 PrSG auf.
Meldungen werden nicht an ausländische Behörden weitergeleitet. Die schweizerischen Hersteller haben daher ihren allfälligen Verpflichtungen nach dem EU-Recht (bzw. in den Mitgliedstaaten der EU) separat nachzukommen.
Marktüberwachung
Es können grundsätzlich alle Massnahmen verfügt werden, soweit diese geeignet und erforderlich sind, die Sicherheit und Gesundheit von Personen zu wahren.
Art. 10 Abs. 3 Bst. a - d PrSG nennt exemplarische Beispiele.
Alle Massnahmen unterstehen dem Verhältnismässigkeitsprinzip, d.h:
- Geeignetheit der Massnahme:
Die Massnahme muss so beschaffen sein, dass der Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Personen im konkreten Fall auch tatsächlich erreicht wird. - Erforderlichkeit der Massnahme:
Die Massnahme darf nicht weitergehen, als diese zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Personen im konkreten Fall auch tatsächlich notwendig ist ("nicht über das Ziel schiessen"). - Abwägung von Ziel und Wirkung der Massnahme:
Das Ziel (Schutz von Leib und Leben von Personen) und die Wirkung der Massnahme (Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit der Hersteller) müssen in einem vernünftigen Verhältnis stehen.
Eine Allgemeinverfügung drängt sich immer dann auf, wenn nicht alle Inverkehrbringer bekannt sind und sich ein solches Vorgehen zum Schutz der Bevölkerung als erforderlich erweist, z.B. wenn das betroffene Produkt durch mehrere unterschiedliche Inverkehrbringer auf den Markt gelangt und eine Verfügung nicht direkt gegenüber dem Hersteller (z.B. bei fehlendem Sitz in der Schweiz) erlassen werden kann. Allgemeinverfügungen werden von den Bundesbehörden erlassen und im Bundesblatt publiziert.
Verordnung über die Produktesicherheit
Artikel 1 PrSV widerspiegelt die Systematik der Verordnung. Die Artikel 1 - 11 sowie die Artikel 29 - 31 PrSV gelten für alle Produkte. Die Artikel 12 - 18 sowie die Artikel 19 - 28 PrSV gelten nur für die darin angesprochenen Produkte (welche den Produkten des aufgehobenen STEG entsprechen): Maschinen, PSA, Gasgeräte, Druckgeräte und -behälter, Aufzüge und übrige Produkte, soweit diese nicht unter den Geltungsbereich anderer bundesrechtlicher Erlasse fallen.
Der Begriff Vollzugsorgan versteht sich als Oberbegriff und ist im Kontext der Verordnung zu lesen. Es ist darunter diejenige Behörde im weiteren Sinne zu verstehen, welche mit dem Vollzug des Gesetzes im entsprechenden Bereich beauftragt ist. Dies kann einerseits das zuständige Bundesamt oder auch das von diesem ernannte Vollzugsorgan sein.
Beim in Abschnitt 4 und 5 verwendeten Begriff „Kontrollorgan“ wird die bisherige im STEG-Bereich verwendete Terminologie weitergeführt. Die in Art. 19 ff. PrSV genannten Kontrollorgane sind die vom SECO benannten Fachorganisationen, welche als Behörde im engeren Sinne mittels Marktüberwachung den Vollzug durchführen.
Bringt der Inverkehrbringer die verlangten Unterlagen nach Absatz 3 innerhalb der von den Kontrollorganen festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig bei, so erlässt das Kontrollorgan eine Herausgabeverfügung mit Frist (Verfügung der Edition der Unterlagen, eventuell mit Verkaufsstopp wenn erhebliche Zweifel bestehen, dass das Produkt sicher ist). Begründete Anträge auf Fristverlängerung werden im Rahmen der Verhältnismässigkeit berücksichtigt.
Bringt der Inverkehrbringer die Unterlagen trotz dieser Verfügung nicht oder nicht vollständig bei, so verfügt das Kontrollorgan ein Verkaufsverbot und allfällige weitere Massnahmen im Rahmen einer Abschlussverfügung. Fehlen die Konformitätserklärung oder die technischen Unterlagen, so sind die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen zumindest in formeller Hinsicht nicht erfüllt. Das Produkt ist demnach nicht gesetzeskonform auf dem Markt, womit ein Verkaufsverbot und evtl. andere Massnahmen angezeigt sind.
Massgeblich ist Art. 27 PrSV. Grundsätzlich werden nur dann Gebühren erhoben, wenn das Kontrollverfahren ergibt, dass das Produkt nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
Bringt aber der Inverkehrbringer die verlangten Unterlagen nach Art. 22 Abs. 3 innerhalb der von den Kontrollorganen festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig bei, so erlässt das Kontrollorgan eine Editionsverfügung. Diese ist in jedem Fall kostenpflichtig, auch dann, wenn sich herausstellt, dass das Produkt (formell und materiell) in Ordnung ist.
Letzte Änderung 04.06.2019